Reisen mit Kindern: Elternzeit zum Reisen nutzen

Urlaub und Reisen mit Kindern

Familie, Kleine Kinder und Reisen passt nicht zusammen? Fehlanzeige! In der Elternzeit ist es rechtlich kein Problem zu verreisen. Anna und Thomas mit ihren Kindern „The familiy without borders“ haben es möglich gemacht und erzählen Dir wie:

Euer Blog wurde von National Geographic Polen als der beste Travelblog 2011 ausgezeichnet. Was macht Euch so besonders?

Zuerst einmal, ist es für viele Menschen inspirierend, dass wir unserem Traum leben und auf Reisen gehen, obwohl wir zwei kleine Töchter haben. Wir bekommen so viele Mails wie „Danke für Euren Blog – Ihr gebt mir Mut, Kinder zu machen und trotzdem das Leben zu leben, dass ich mir immer gewünscht habe.“ Zum Zweiten ist unser Blog mehr als nur ein Reisetagebuch: Wir haben bei den Texten einen hohen journalistischen Anspruch, erzählen gut recherchierte Geschichten und haben wunderschöne Bilder. Mit unseren Kindern die uns alle Türen öffnen, Anna als Journalistin und mir (Thomas) als Photograph sind zudem ein super Team.

Ist es rechtlich möglich in der Elternzeit zu reisen wenn man Elterngeld bezieht? Gibt es irgendetwas zu beachten?

Ich muss zugeben, wir haben nicht darüber nachgedacht, ob es da viel zu beachten gibt. Wenn beide Eltern mitmachen, hat man zusammen insgesamt 14 Monate Elternzeit in denen man mit fast 70 Prozent des letzten Einkommens eigentlich genügend Geld hat zum Reisen und Überleben, erst recht, wenn wie wir in Osteuropa oder Zentralamerika unterwegs ist, vor allem im Auto schläft und zu Hause seine Bleibe untervermietet hat.

Was macht ihr wenn Eure Kinder älter werden und zur Schule gehen?

Vermutlich die Ferien nutzen. Doch das ist noch eine Weile hin. Hanna – unsere „Große“ – ist jetzt drei Jahre alt. Wenn man überlegt, wie viel wir erlebt haben in den letzten drei Jahren und wie viel Zeit uns bis zur Schule noch bleibt, liegt es fern, sich darüber jetzt schon Gedanken zu machen. Die viel spannendere Frage ist doch: Was machen wir bis dahin?

Womit verdient ihr Euer Geld und woher nehmt ihr die Zeit? Könnt ihr flexibel von überall auf der Welt aus arbeiten?

Unser Geld verdienen wir bisher nur zu einem kleinen Teil mit Reise-Artikeln und -Bildern.

Ich (Thomas) bin Mitbegründer der Berliner Internetagentur undkonsorten. Dort habe ich sehr liebenswürdige Mitstreiter, die meine Elternzeiten tapfer geschultert haben. Dafür war einen von ihnen jetzt auch für ein halbes Jahr auf Elternzeit in Südamerika. Anna ist freie Journalistin und schreibt vor allem für polnische Medien. Wir verdienen nicht viel und leben eigentlich recht sparsam. Doch wie gesagt, das Elterngeld kann unterwegs reichen, wenn man einfach reist. Reisen muss nicht mehr kosten als das Leben in Deutschland.

Ansonsten hatten vor der ersten halbjährigen Elternzeitreise vom Berlin bis ans Kaspische Meer noch die Illusion, dass wir Unterwegs auch ein wenig arbeiten würden. Sehr schnell haben wir aber gemerkt, dass das bei unserer Art zu Reisen nicht funktionieren wird und auch keinen Sinn macht.

Unser Fazit war: Reise ist Urlaub. Arbeit ist Arbeit. Wenn man es vermischt, hat man weder eine vernünftige Reise noch Arbeitsergebnisse die andere zufriedenstellen. Allein einen Reiseblog von unterwegs zu führen ist für viele Blogger schon nicht einfach. Und wenn man dann wie wir noch zwei Kinder hat, die rund um die Uhr unsere Liebe und Aufmerksamkeit erwarten, Entdecken und offen für neue Abenteuer sein will, bleibt keine Zeit für Arbeit.

Habt ihr schon vorher beschlossen dass ihr Reisen wollt oder kam die Frage: „Und wie geht unser Leben weiter?“ erst nach der Geburt Eures ersten Kindes?

Wir haben uns vor fünf Jahren in Brüssel auf einer Journalistenkonferenz kennengelernt. Danach trafen wir uns die nächsten Male in Armenien, dann Kopenhagen und erst später in Warschau und Berlin. Danach waren wir zusammen ständig unterwegs für Projekte und Workshops irgendwo in Europa oder auf dem Balkan. Mit dem Kind kommt aber zwangsläufig die Frage nach dem „Was nun?“

Unsere etwas trotzige Antwort: „Jetzt erst recht. Weitermachen!“, ist auch der Tatsache geschuldet, dass wir sechs Wochen Schwangerschaft, die Geburt und die ersten zwei Monate unsere winzigkleinen Tochter im Krankenhaus verbracht haben. Es war keine einfache Zeit und als klar war, dass wir es überstanden haben, unsere Tochter (gesund) leben wird, war es Zeit, wieder nach vorne zu Blicken. Die Elternzeit hab uns den nötigen Raum und einen guten Vorwand dazu.

Was für besondere Tipps habt ihr für alle, die mit kleinen Kindern reisen?

Das Erste was wir gelernt haben ist, dass man auf Reisen dem Rhythmus des Kindes folgen muss. Das heißt, sich Zeit zu nehmen, nicht irgendeinem fixen (Zeit-)Plan hinterherzuhetzen. Der Weg ist das Ziel. Es geht darum, zusammen eine gute Zeit zu verbringen und nicht möglichst in zwei Tagen irgendwo anzukommen. Es ist wie zu Hause wenn man das Kind hat und am gleichen Nachmittag unbedingt noch was Wichtiges zu erledigen hat: Es geht meistens schief und ein großer und ein kleiner Mensch sind unglücklich. Man muss auf die Wünsche seiner Kinder hören, nicht zu viel planen, flexibel sein.

Ansonsten haben wir bemerkt, dass man mit dem Reisen nicht warten sollte, bis die Kinder zu groß sind. Wenn man die ganze Zeit nur zu Hause sitzt und nach fünf Jahren seine Kinder davon überzeugen will, dass sie jetzt auf große Reise gehen sollen, kann das auch gehörig schief gehen.

Reist ihr einfach oder gönnt ihr Euch aufgrund der Kinder ein bisschen mehr Komfort?

Komfort ist relativ. Früher haben wir es genossen zu trampen um Land und Menschen aufzusaugen, in ihren Autos zu fahren und am Abend in einer Wohnung zu sitzen, mit ihnen Wein, Geschichten und den Inhalt ihres Kühlschrankes und unseres Rucksacks zu teilen.

Als wir mit unserer acht Monate alten Tochter für sechs Monate unterwegs sein wollten, haben uns wir selbst ein Auto (einen alten Renault Espace) besorgt, damit wir alles transportieren können, unabhängig sind und überall ein „zu Hause“ zu haben. Geschlafen haben wir bei alten und neuen Freunden, Bekannten, manchmal in Hostels und meistens im Auto. Für uns war es Komfort, absolute Freiheit und die beste Zeit unseres Lebens. Luxus, quasi.

Welche Reiseländer haltet ihr für besonders geeignet mit Kindern? Wonach sucht ihr Eure Reiseländer aus?

Wir haben uns die Reiseländer nicht primär nach ihrer Kindertauglichkeit ausgesucht, sondern danach, was wir gerne sehen möchten. Risiken haben wir aber gemieden: So sind wir auf der ersten Reise wegen der Sicherheitslage nicht durch Tschetschenien und Dagestan und auf der zweiten nicht durch Nord-Mexiko gefahren. In Honduras waren wir nur in den Bergen und nicht an den karibischen Stränden, weil es dort Malariafälle gibt. Ohne Kinder wäre das anders gewesen, weil eben auch ein Abenteurer- und Journalistenherz in uns schlägt.

Im Nachhinein betrachtet ist es mit den Kindern vor allem in solchen Ländern angenehm, wo sie (zum Beispiel in einem Restaurant) nicht als Störfaktor angesehen, sondern sie geliebt, vergöttert werden. Italien, Georgien oder die Türkei sind solche Länder. Deutschland übrigens nicht, wäre da nicht Kreuzberg. Habe dort erst heute wieder im Spätkauf „Kavkas“ mit einem Lächeln ein „Gott beschütze Ihre Kinder, das Eis ist umsonst“ erlebt.

Wo habt ihr Eure Homebase? Vermietet ihr Eure Wohnung unter wenn ihr unterwegs seid?

Gewitzt formuliert: Homebase statt zu Hause. Das macht die Antwort einfacher: Berlin-Pankow – in einer wunderschönen Altbauwohnung, die wir noch mit drei andern, geliebten Menschen aus Singapur, Griechenland und dem Wendland teilen: Wahlfamilie. (Die Großeltern wohnen nicht in Berlin.) Das was uns gehört wird untervermietet und wenn jemand länger nicht da ist, füllen meist Besucher oder Couchsurfer die Leere.

Gab es einen Moment an dem ihr darüber nachgedacht habt doch wieder ein Leben mit Haus und Garten zu führen?

Hatten wir nie und werden wir wohl auch erst mal nicht haben.

Was ist die größte Herausforderung beim Reisen mit Kindern?

Mit fällt die Antwort schwer, weil wir es nie als Herausforderung – dieser ach so schöne Euphemismus für „Problem“ – begriffen haben, mit den Kindern zu reisen. Die Herausforderung besteht darin, es zu wagen. Punkt.

Ja klar, ist es anstrengender als ein Singleurlaub, bei dem man sich um nichts Gedanken machen muss. Eine Woche zu Hause ohne Mama und Kindergarten ist aber auch eine Herausforderung. Wenn man zusammen unterwegs ist, teilt man zumindest die Last.

Doch für sechs Monate 24/7 die Kinder zu haben ist – auch im Urlaub – nicht immer einfach. So war eine der ersten Herausforderungen nach der Rückkehr (zum Glück kein Problem) die Suche nach einem freien Kindergartenplatz.

Euer Trip wird ja sogar gesponsert. Von wem und wie kam es dazu?

Für die beiden großen Trips hat uns niemand einen Cent gegeben, doch wir haben auch nie nach Geld gefragt. Wir hatten Sponsoren nur wegen ihrer Produkte im Auge. Dafür waren Globetrotter.de (Outdoor Ausrüstung), Römer (Kindersitze) oder auch Pixum.de (für unsere Photoprints) genau die richtigen Partner.

Weniger Erfolg mit Sponsoring hatten wir bei Autoherstellern, Fluglinien, Versicherungen uns so weiter. Doch hatten wir auch nie viel Energie reingesteckt. Wir mögen es nicht, Leuten oder Unternehmen hinterherzulaufen, damit wir einen schönen Urlaub haben.

Entweder es ist für eine Firma interessant mit uns etwas zu machen – fein. Wenn nicht, dann ist das auch völlig okay. Durch Blog, Diavorträge, Artikel in recht auflagenstarken Zeitschriften und Portalen kommen aber immer mehr Anbieter auf uns zu mit mehr oder weniger interessanten Angeboten. Das ist ein ein angenehmer Wandel.

Habt ihr einen Tipp für alle die nicht selbständig tätig sind und von unterwegs aus arbeiten können?

Man kann auch in zwei Wochen viele schöne Dinge erleben. Einfach nur am Wochenende das Auto zu packen, in die Natur zu fahren, am See zu schlafen kann so schön sein und einen für zwei Tage in eine völlig andere Welt katapultieren und dem Stadtalltag völlig entreißen. Klingt einfach. Das Problem ist immer das Gleiche, man muss es nur tun.

Nennt uns 5 Gründe warum es sich lohnt ein Nomadenleben zu führen

Zurückblickend war das Beste am Unterwegssein für uns die Freiheit Entscheidungen treffen zu können. Man steht morgens mit der Sonne (und nicht dem Wecker) auf und überlegt sich: Was will ich heute machen? Zu Hause ist die meiste Zeit schon vorbestimmt, fremdbestimmt.

So fliegt das Leben vorbei uns man weiß am Freitag schon nicht mehr, was man am Dienstag eigentlich gemacht hat, weil man sich nie darüber Gedanken machen durfte, was der Tag bringen wird. So fliegt die Zeit vorüber und plötzlich wacht man eines morgens auf uns feiert seinen sechzigsten Geburtstag und weiß gar nicht mehr, was man in den letzten dreißig Jahren eigentlich gemacht hat, weil man sich nie selber Gedanken darüber machen durfte, was die Jahre so bringen werden.

Auf der Reise kommt dir ein Monat schon wie eine Ewigkeit vor und Du kannst Dich noch Jahre später an jeden Tag, an Kleinigkeiten, das Essen oder sogar den Kellner erinnern. Das ist für mich Leben, Entscheidungen treffen zu können, Freiheit zu leben und sie nicht nur potentiell zu haben. Das ist Leben für uns und dieses Leben gelingt uns am Besten auf Reisen.

Zum Zweiten ist diese Zeit nach der Schwangerschaft in vielen Beziehungen eine wirklich problematische, auch wenn man es an diesem Punkt vielleicht noch nicht merkt. Es kann einem nichts Besseres passieren, als durch dieses Tal gemeinsam zu gehen oder es sogar zur besten Zeit des Lebens werden zu lassen. Ach das geht für uns am Besten auf Reisen.

So und jetzt seid Ihr dran mit fünf guten Gründen, warum es sich lohnt zu Hause zu bleiben.

Vielen Dank an Thomas und Anna für das hervorragende Interview!

Für die Verwirklichung von Reisen in allen anderen Lebenslagen schaut mal hier:

>>Raus aus dem Hamsterrad
>>Die beliebtesten Länder für Backpacker
>>Das große Backpacking ABC

 

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