Es scheint momentan kaum ein anderes Thema mehr zu geben, im Radio, im Fernsehen, in der Zeitung, im Internet: Coronavirus (COVID-19). Jeder Reisende weltweit fürchtet bei der Heimkehr in Quarantäne und strenge medizinische Überwachung zu müssen, auch in Deutschland wird dies mit steigender Zahl der Krankheitsfälle immer wahrscheinlicher. Kaum jemand aber kann sich vorstellen, wie eine solche Quarantäne genau aussieht.
Nachdem ich vergangene Woche mit meinem Bekannten, der in China wohnt und arbeitet, gesprochen habe, ist die Idee zu diesem Beitrag entstanden. Thomas* berichtet uns über die vergangenen Wochen und sein isoliertes Leben, unter Quarantäne, in China.
Der nachfolgende Beitrag wurde am 8. März 2020 verfasst und uns zur Veröffentlichung bereit gestellt.
Seit mehr als einem Jahr lebe ich bereits in China, erst in Shanghai und nun in einer „Second Tier City“ im Westen des Landes, unweit der von Corona am schlimmsten betroffenen Provinz Hubei.
Bereits Anfang Januar hörten wir im Freundeskreis anderer Europäer, von einem Virus, der grassieren würde, aber mit dem anstehenden chinesischen Neujahr waren die meisten darauf konzentriert ihren Urlaub zu planen. So auch ich.
Zum chinesischen Neujahr flog ich für 10 Tage nach Bangkok, um Freunde zu besuchen und ein wenig zu entspannen. Mit fortschreitenden Infektionszahlen und der Abriegelung Wuhans wurde dann ziemlich klar, dass die Situation wesentlich ernster war als zunächst angenommen.
In Thailand spürte man davon zunächst nichts. Nur auf Nachfrage in Hotelier-Kreisen wurde zögerlich zugegeben, dass es zu massiven Stornierungen aus China kam und die Belegung, die über das Neujahrsfest eigentlich voll ausgelastet sein sollte, plötzlich erst bei 70% und sich dann bei 30 bis 40% einpendelte.
Die Auswirkungen in Thailand waren eine Vorahnung auf das, was mich nach meiner Rückkehr erwarten sollte.
Mit dem rasanten Anstieg in China an Infektionsfällen wurde schnell klar, dass die Abriegelung Wuhans nicht ausreichen würde, um die Krankheit einzudämmen und die Quarantäne Maßnahmen wurden auf 800 Millionen Menschen, also einen Großteil der Stadtbevölkerung Chinas, ausgeweitet.
Alle Geschäfte, Hotels, Restaurants, Bars und Shopping Malls geschlossen, landesweit alle Veranstaltungen abgesagt.
Das chinesische Neujahrsfest wurde erst um zwei Tage, dann um nochmal sieben Tage verlängert.
Nach Absprache mit meinem Chef in China, um noch eine weitere Woche zu verlängern, wurden rasch und kulant die Flüge umgebucht, so dass aus zehn geplanten Tagen nun knapp vier Wochen wurden.
Die Zahlen in China stabilisierten sich und es war an der Zeit zurückzukehren.
Ein Großteil unseres chinesischen Teams war zu dem Zeitpunkt ebenfalls immer noch in ihren Heimatprovinzen und die meisten, so wie ich, waren ungewiss, was sie in der folgenden zweiwöchigen Quarantäne erwarten würde.
Jeder der innerhalb als auch außerhalb Chinas reiste musste sich auf zwei Wochen zu Hause einstellen.
Eine volle Reisetasche mit Thai Instant Nudeln und 200 Gesichtsmasken hatte ich bereits in Bangkok organisiert.
Zurück aus dem Urlaub, ein ungewohntes Bild
Mein Rückflug, eigentlich randvoll gebucht wie die meisten zwischen China und Thailand, war zu gut einem Drittel besetzt, und die Umbuchung leitete uns über Guangzhou, die Basis der chinesischen Airline.
Angekommen in Guangzhou erwarteten uns Temperaturmessungen und auszufüllende Erklärungen über den Gesundheitszustand, Email, Telefon, Adressen… Alles wurde nochmals registriert, um sicher zu gehen, dass alle Passagiere später zurückverfolgt werden können.
Am Endziel angelangt, ebenfalls das gleiche Spiel: Einmal in der Ankunftshalle angekommen, bekam ich einen Eindruck davon, was Hamsterkäufe bedeuteten. Ungewiss wie die Supermärkte und Online-Bestellungen abliefen, war der gesamte 7-Eleven von Reisenden leer gekauft worden.
Ins Taxi und ab nach Hause…
Zurück in meiner Wohnung
Im Apartmentkomplex angekommen wurde ich bereits vom Nachbarschaftskomitee der Kommunistischen Partei empfangen.
Mein Vermieter informierte die Behörden im Vorfeld, dass ich ankomme, sonst wäre mir der Zugang verwehrt worden.
Der Eingang zu jedem Gebäude wird von mindestens zwei Parteimitgliedern bewacht. Temperaturmessungen und Ein- und Ausgangskontrollen werden durchgeführt.
Wer kein Mieter ist, darf den Komplex nicht betreten. Internet-Bestellungen werden im Foyer entgegengenommen und niemand wagt sich näher als einen Meter an jemanden anderen heran.
Im Apartment selbst erwarteten mich 8 Grad Celsius und keine Heizung, da die Klimaanlage zentralisiert ist und komplett abgeschaltet wurde, um Aerosol-Infektionen zu vermeiden. Na gut, eine elektrische Heizung organisiert, warm einpacken und es ging weiter.
Menschenleere Straßen und verpflichtende Fiebermessungen
Die nächsten zwei Wochen waren also zu Hause zu verbringen. Ca. 99% der Stadt waren sowieso geschlossen, also kein Grund nach draußen zu gehen. Täglich musste eine Online-Umfrage ausgefüllt werden, wo man sich befindet inklusive eines Screenshots mit Positionsangabe. Zweimal täglich, morgens und abends musste man seine Körpertemperatur an das Nachbarschaftskomitee mittels WeChat schicken.
Online, auf chinesischen Webseiten, konnte ich mit Hilfe meiner Kollegen bestellen, da ich weder chinesisch lesen noch sprechen kann. Auch gearbeitet wurde wieder. Tägliche Conference-Calls vom Sofa aus, Daten aus der Cloud und arbeiten am Laptop fraßen leider nur wenig Zeit auf.
Von Internetzensur und komischen Eindrücken
Wie erwartet, wenn in China ein Feiertag oder eine politische Veranstaltung ansteht oder ein Thema besonders schwer wiegt, war das VPN zunächst geblockt.
Das Katz- und-Maus-Spiel zwischen Internetanbietern und Partei fing an, die „Great Firewall“ wurde verstärkt, der Anbieter brachte ein Update heraus, und die Firewall wurde wieder verstärkt. Nervig, aber nicht unmöglich.
Für China-Expats empfehle ich grundsätzlich, sich eines der Großen VPN zuzulegen, als auch einen kleineren Anbieter, oder ein Free VPN. Denn: Erstmal in China angekommen kann es schwierig werden mit Downloads.
Filme, Musik und Spiele von der Festplatte waren angesagt, nach circa einer Woche lief das VPN zum Glück wieder und die Wochen wurden erträglicher.
Nach zwei Wochen dann wurde mir erlaubt das Haus zu verlassen.
Jeden zweiten Tag durfte ich mit einem Passierschein das Haus zum Einkaufen verlassen.
Gesichtsmaske anziehen, Einkaufstasche packen und raus in die leeren Straßen.
Bis auf Instant Nudeln sind die Regale voll, die Versorgung ist gewährleistet. Obst, Gemüse, Fleisch, Milchprodukte, alles ist vorhanden. Die Preise sind normal.
Gesichtsmasken werden vor den Apotheken verkauft, hier sollte man früh morgens zuschlagen.
Die Eindrücke dieser leeren Stadt sind überwältigend.
Die Neujahrsdekorationen hängen immer noch vereinzelt, aber fast keine Menschen und nur vereinzelte Autos auf den Straßen.
Doch das eigentlich Ungewöhnliche ist die Stille. Kein Ton ist zu hören.
Der Lärm einer Großstadt ist komplett verschwunden.
Der Film „28 Days Later“ kam mir in Erinnerung.
Normalität kehrt zurück
Die Straßen werden langsam voller je mehr Zeit verstreicht. Büros öffnen wieder und die ersten Malls sind offen. Viele Restaurants und Bars gehen zu Online-Bestellungen über. Vereinzelte Hotels eröffnen langsam wieder, allerdings ohne Restaurantangebot.
Überall wird nach wie vor die Körpertemperatur gemessen: Am Haus- und Supermarkteingang, an Straßensperren, Apotheken und Krankenhäusern. Selbst bei Essenslieferungen wird die Temperatur des Koches, Einpackers und Fahrers notiert. Einfach überall. Das soll eine gewisse Rückverfolgbarkeit gewährleisten.
Zusätzlich wurde letzte Woche eine neue App eingeführt. Mittels QR code wird jeder Anwohner überwacht, man muss Codes scannen und sich einloggen, so dass man jeden Bürger auf Schritt und Tritt nachverfolgen kann.
Nächste Woche werde ich zurück ins Büro gehen, um von dort aus zu arbeiten.
Wie viele Firmen, selbst in Europa mittlerweile, werden wir in zwei Schichten arbeiten. Ein Team von zu Hause, ein Team vom Büro aus, mit einem Meter Mindestabstand zwischen den Schreibtischen.
Das waren lange 21 Tage zu Hause.
Habt ihr weitere Fragen? Thomas hat versprochen die Kommentare unter diesem Artikel zu verfolgen.
*Um die Sicherheit meines Bekannten in China zu gewährleisten, habe ich seinen Namen in Thomas geändert.
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