Happy Camino: Der Jakobsweg macht glücklich und tut gut! Aber warum?

Bestimmt hat dir schon mal jemand die Frage gestellt, was dich glücklich macht oder welche Momente in deinem Leben die bisher glücklichsten für dich waren. Ich finde diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten. Meistens habe ich in der Vergangenheit immer gesagt: „Immer, wenn ich auf Reisen bin!“. Daran hat sich nicht viel geändert. Aber im letzten Jahr gab es für mich eine Reise, die alles noch einmal getoppt hat: meine Zeit auf dem Jakobsweg. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass es für mich die bisher glücklichste Zeit meines Lebens war! Warum? Der Sache gehe ich heute mal auf den Grund.

Der Jakobsweg- mehr als 1.000 Kilometer in 8 Wochen

Kurz paar Eckdaten zu meinem Weg: Ich bin 2016 den Camino de la Costa gelaufen, also den Küstenweg. Start war in Hendaye an der französisch-spanischen Grenze. Bis nach Santiago de Compostela sind es von da aus 837 Kilometer. Im Anschluss bin ich dann noch weitere 120 Kilometer nach Finisterre und Muxía gelaufen und zum „Runterkommen“ ging es auf dem Camino Inglés ab Ferrol die rund 120 Kilometer wieder zurück nach Santiago. Summa summarum macht das bisschen mehr als 1.000 Kilometer, für die ich ungefähr zwei Monate gebraucht habe. Das geht sicher auch schneller, aber ich hatte den Luxus, mir Zeit nehmen zu können. Ich hatte weder einen gebuchten Rückflug noch sonst eine Verpflichtung, die auf mich wartete. Am liebsten wäre ich auch noch länger gelaufen, ich hatte aber absolut kein Geld mehr.

Bepflanzte Wanderschuhe: Der Anblick solch schöner Dinge macht mich bereits glücklich!

Warum der Jakobsweg?

Dass ich gerne wandere, hab ich ja schon mehrfach erwähnt. Der Jakobsweg ist ja einer der bekanntesten Pilgerwege überhaupt und ich hatte mir oft gesagt: Irgendwann gehst du den mal. Für mich stand aber immer fest, dass ich ihn an einem Stück laufen wollte und das war mit 24 Urlaubstagen pro Jahr nicht besonders gut vereinbar. Als ich im letzten Jahr meinen Job gekündigt hatte, war es dann soweit. Ich hatte viel Zeit und sowieso noch keinen Plan, wie es beruflich mit mir weitergehen sollte: Ideale Voraussetzungen also, diesen Weg zu gehen. Übrigens war gefühlt ein Drittel der Leute, die ich auf dem Camino kennengelernt habe, in einer ganz ähnlichen Situation wie ich – gerade raus aus einem Job und unsicher, was die Zukunft bringen würde. Dadurch ergaben sich natürlich etliche gute und inspirierende Gespräche. Mich mit meiner Situation auf eine so schöne Art und Weise auseinanderzusetzen, tat richtig gut. Die Zeit auf dem Jakobsweg war für meine Entscheidung, mich selbstständig zu machen, auf jeden Fall mitverantwortlich!

Holpriger Start

Die Anreise zu meinem Ausgangspunkt Hendaye war übrigens eine einzige Katastrophe. Mein Flieger kam erst spät an und ich hatte mich null informiert, wie ich vom Flughafen Bilbao überhaupt nach Hendaye kommen würde. Immerhin ging noch ein Bus nach San Sebastian. Da aber gerade Pfingsten war, war die gesamte Stadt ausgebucht und ich verbrachte die ganze Nacht im nicht besonders einladenden Busbahnhof von San Sebastian. In der Früh nahm ich dann völlig übermüdet einen Bus nach Hendaye und startete unter einem regenverhangenen Wolkenhimmel meine erste Etappe. Und trotzdem: am Abend meines ersten Wandertages war ich einfach nur glücklich und bereits fest davon überzeugt, dass es eine der besten Ideen in meinem bisherigen Leben war, den Jakobsweg zu gehen. Und ich sollte Recht behalten! Doch was genau sind denn jetzt die Gründe, warum der Camino so glücklich macht? Zumindest mich?

Ich bin nicht nur glücklich, sondern seh auch so aus – oder? 🙂

1. Eine Zeit ohne Entscheidungen

Was mir während meiner Zeit auf dem Jakobsweg besonders gut getan hat, war die Tatsache, dass ich kaum Entscheidungen treffen musste. Ich musste mir nicht überlegen, was ich mache, denn es war ja klar: eine Etappe wandern. Und zwar immer den gelben Pfeilen oder der Jakobsmuschel nach. Die Richtung lag also auch nicht in meiner Hand. Da ich, wenn möglich, in öffentlichen Herbergen übernachtete, musste ich auch nicht über die Unterkunft entscheiden. Selbst das Bett wurde einem manchmal zugewiesen. Ebenfalls sehr befreiend fand ich, dass ich mir keine Gedanken darüber machen musste, was ich tagsüber anziehe. Ich hatte ja eh nur zwei Kombis mit! Und mein Pyjama war gleichzeitig Strandoutfit und Abendgarderobe. Nur am Abend geriet ich manchmal in Entscheidungsnot, wenn ich mir beim Pilgermenü eine von drei Optionen aussuchen musste!

Ich will damit nicht sagen, dass ich mir generell wünsche, dass mir jemand alle Entscheidungen abnimmt. Aber war einfach mal eine Weile richtig befreiend, nicht immer zwischen tausend Optionen und Alternativen wählen zu müssen.

2. Alle sind so nett!

Natürlich gibt es auch auf dem Jakobsweg ein paar Nörgler oder Quengler, aber grundsätzlich war ich fast durchweg von echt netten Menschen umgeben. Die gegenseitige Hilfsbereitschaft ist einfach unglaublich. Jeder hat einen Anti-Blasen-Tipp parat, leiht dir Seife, teilt seinen Wein etc. Es wird freundlich gegrüßt, gewunken und gelächelt. Aber nicht nur die Pilger sind sehr angenehme Mitmenschen, auch die Einheimischen sind mir fast immer unglaublich nett, offen und sehr interessiert begegnet. Mangelte es an meinem Spanisch, erklärten sie mit Händen und Füßen. Häufig fragten sie, wo ich denn gestartet wäre und wie viel Kilometer ich heute laufen würde. Sie gaben mir oft das Gefühl, als wäre ich der erste Pilger, dem sie in ihrem Leben begegneten – dabei laufen da ja täglich hunderte vorbei. Ich halte mich grundsätzlich ebenfalls für einen freundlichen Menschen, aber wäre ich keiner, dann wäre ich spätestens auf dem Jakobsweg einer geworden! Denn bei so viel Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft geht es gar nicht anders!

Happy together! Zusammen mit tollen Menschen immer schön dem gelben Pfeil folgen!

3. Alle sind gleich

Auf dem Jakobsweg sind Alter, Herkunft, Geschlecht etc. total egal. Alle tun das gleiche und alle haben dasselbe Ziel. Ich bin so oft mit über 60-Jährigen ein Stückchen gelaufen oder habe den Abend mit einem 18-Jährigen verbracht. Ganz ehrlich? In Düsseldorf würde ich in meiner Freizeit wohl kaum mit Rentnern oder Abiturienten abhängen. Warum eigentlich nicht? Es waren viele exzellente Unterhaltungen dabei. Von den höheren Semestern gibt es eben doch ne Menge zu lernen. Und für die Jüngeren war ich wiederum wahrscheinlich schon eine voll erfahrene Frau, die viel erlebt und ein paar weise Ratschläge parat hatte. Jedenfalls hat es echt Spaß gemacht, in so bunten Runden zu sitzen, ohne dass es auch nur ein bisschen komisch war. Ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob irgendwer nicht reinpasst oder ob jemand vergessen wurde – wie es ja manchmal der Fall sein kann, wenn du verschiedene Freundeskreise hast.

Aber muss es unbedingt der Jakobsweg in Spanien sein?

Nein, gar nicht. Natürlich kannst du überall auf der Welt einfach von A nach B laufen. Ich bin mir sicher, dass auch viele andere Strecken denselben positiven Effekt auf Geist und Seele haben. Aber der große Vorteil am spanischen Jakobsweg ist, dass das Netz an Herbergen dort sehr gut ausgebaut ist und dass viele Pilger unterwegs sind. Denn ohne die Albergues und ohne die Mitpilger wäre es am Ende ein ganz anderes Erlebnis gewesen. Und ob du nun daran glaubst oder nicht, aber diesem uralten Camino haftet einfach ein ganz besonderer Zauber an! Mich hat er jedenfalls total gepackt und ich kann es kaum erwarten, mich bald wieder auf den Weg zu machen. Und irgendwann starte ich auch mal vor meiner eigenen Haustür und laufe nach Santiago. So wie es die „richtigen“ Pilger damals gemacht haben.

Du willst noch mehr über den Camino erfahren? Generelle Infos und Tipps rund um den Jakobsweg, die Herbergen, das Gepäck usw. gibt es in diesem Blogbeitrag!

 

Ulrike hat rund 15 Jahre Reiseerfahrungen, viele schöne Erinnerungen und immer neue Ideen im Gepäck. Nachdem der Jakobsweg ihrem Leben 2016 eine neue Richtung gewiesen hat, pendelt sie zwischen Deutschland und Spanien hin und her. Seit Anfang 2017 ist sie freiberufliche Redakteurin. Mehr unter www.ulrikekraenz.de.

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