Viele Menschen verlassen Deutschland nicht nur aus Abenteuerlust oder wegen des Wunsches nach Sonne, Meer und neuen Chancen. Immer häufiger spielen auch politische und wirtschaftliche Gründe eine Rolle: Unzufriedenheit mit der Entwicklung in Deutschland und Europa, wachsende Bürokratie, hohe Steuerlast. Wer aus solchen Motiven den Wohnsitz ins Ausland verlegt, sollte jedoch nicht nur an neue Freiheiten denken, sondern auch die steuerlichen Fallstricke im Blick haben. Ein zentrales Thema dabei ist die Wegzugsbesteuerung – eine Regelung, die für Unternehmer und Investoren schnell zu einer kostspieligen Falle werden kann.
Der Hintergrund
Die Wegzugsbesteuerung ist in § 6 des Außensteuergesetzes geregelt. Der Gedanke dahinter: Wer mit wertvollen Unternehmensanteilen Deutschland verlässt, könnte später die stillen Reserven im Ausland steuerfrei veräußern. Um das zu verhindern, behandelt der deutsche Fiskus den Wegzug so, als ob die Anteile bereits verkauft worden wären – und besteuert den fiktiven Gewinn.
Wer davon betroffen ist
Es reicht bereits, mindestens ein Prozent an einer Kapitalgesellschaft – etwa einer GmbH – zu halten, um in den Anwendungsbereich der Regelung zu fallen. Unerheblich ist, ob man Mehrheitsgesellschafter oder nur in kleinerem Umfang beteiligt ist. Entscheidend ist außerdem, dass man in den letzten Jahren vor dem Wegzug unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland war. Für viele Gründer oder Unternehmer, die mit ihrer GmbH im Hintergrund ins Ausland gehen wollen, kann das ein echtes Problem darstellen.
Was genau besteuert wird
Zur Kasse gebeten wird nicht das tatsächlich erzielte Geld, sondern ein theoretischer Verkaufsgewinn. Beispiel: Jemand erwirbt vor einigen Jahren GmbH-Anteile für 10.000 Euro, die heute einen Wert von 500.000 Euro haben. Zieht diese Person ins Ausland, so wird sie behandelt, als hätte sie die Anteile verkauft – und muss den Differenzbetrag von 490.000 Euro versteuern, auch wenn das Geld in der Realität nicht auf dem Konto landet.
Unterschied zwischen EU und Drittstaaten
Ein entscheidender Punkt ist, wohin die Reise geht. Innerhalb der EU oder des EWR kann die Steuer in vielen Fällen gestundet werden. Das bedeutet: Solange die Anteile nicht tatsächlich verkauft werden, muss auch keine Steuer gezahlt werden. Wer hingegen in ein Land außerhalb Europas zieht – etwa nach Bali, Thailand oder in die USA –, sieht sich meist sofort mit einer Steuerforderung konfrontiert. Die Unterschiede sind erheblich und sollten frühzeitig in die Planung einfließen.
Gestaltungsspielräume
Völlig machtlos ist man gegenüber der Wegzugsbesteuerung nicht. In manchen Fällen kann eine Holdingstruktur helfen, in anderen eine rechtzeitige Umstrukturierung. Auch die Wahl des Ziellandes spielt eine Rolle. Sicher ist jedoch: Solche Schritte sollten nicht überstürzt erfolgen. Wer sich erst kurz vor dem Umzug mit der Thematik beschäftigt, hat meist keine guten Karten mehr.
Typische Fallstricke
Gefährlich kann es werden, wenn man nach einigen Jahren doch wieder nach Deutschland zurückkehrt. Dann können alte Steuerforderungen wieder aufleben. Auch das Risiko einer Doppelbesteuerung ist nicht zu unterschätzen, wenn das neue Heimatland ebenfalls Ansprüche erhebt. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Regelungen in den letzten Jahren immer wieder verschärft wurden und sich auch künftig ändern können.
Worauf Auswanderer achten sollten
Es empfiehlt sich, schon bei den ersten konkreten Auswanderungsplänen mit einem Steuerberater zu sprechen, der Erfahrung im internationalen Steuerrecht hat. Eine spontane Entscheidung, Deutschland von heute auf morgen zu verlassen, kann teuer werden. Wer hingegen langfristig plant und die steuerlichen Folgen mitdenkt, hat mehr Spielraum und kann hohe Belastungen vermeiden.
Fazit
Die Wegzugsbesteuerung ist ein komplexes, aber zentrales Thema für alle, die Deutschland dauerhaft verlassen wollen und Unternehmensanteile im Gepäck haben. Sie zeigt, dass Auswanderung nicht nur eine Frage von Koffern und Flugtickets ist, sondern auch eine sorgfältige steuerliche Vorbereitung erfordert. Wer hier rechtzeitig handelt, kann seine neue Freiheit im Ausland später deutlich entspannter genießen.